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Das Trauma bleibt

21.04.2022   

Dubravka Ugrešić wurde 1949 in Kroatien geboren und lebt seit 1993 in Amsterdam.

Dieser post-jugoslawische autofiktionale Roman, der im Original 2004 erschienen ist, spielt überwiegend im niederländischen Exil-Ambiente der Erzählerin. Sie ist in Amsterdam Dozentin für serbokroatische Literatur und hat Studenten, die ebenso wie sie aus ehemals jugoslawischen Regionen stammen. Sie bilden über zwei Semester hinweg eine feste Gruppe, deren Mitglieder sich gegenseitig stabilisieren. Die meisten haben traumatische Kriegserfahrungen ins Exil mitgebracht. Es gibt unter ihnen auch zweifache Opfer, zunächst des Miloševič-Regimes und dann der Nato-Bombardierung Jugoslawiens. Sie studieren serbokroatische Literatur, weil es für sie das einfachste Fach ist und sie auf diese Weise ein Aufenthaltsrecht haben. Der Student Uroš verübt allerdings Selbstmord, was die Gruppe und die Dozentin sehr belastet.

Den Besuch des Internationalen Tribunals über Angeklagte aus dem früheren Jugoslawien bricht die Protagonistin ab, weil dort offenbar wird, dass niemand sich in irgendeiner Weise als schuldig bekennt.

Nach zwei Semestern ist ihr Job an der Universität beendet, den ihr der Ehemann einer kroatischen Migrantin besorgt hatte. Einer der Studenten ihrer Gruppe besucht sie in ihrer Wohnung, fesselt und knebelt sie und fügt ihr Schnitte mit einer Rasierklinge zu. Sie übersteht diese Attacke bemerkenswert stoisch und zieht in die Wohnung um, die ihr eine ihrer Studentinnen überlassen hat. Statt im Rotlichtviertel Amsterdams lebst sie nun in ›Klein-Casablanca‹, wie der Amsterdamer Vorort genannt wird. Die Protagonistin ordnet sich der Migranten-Population ihres Viertels zu, den ›Barbaren‹.

Das Buch wird im letzten Viertel immer fragmentarischer und dunkler.

Transitorische Mutanten nennt die Erzählerin die Exilanten, die es ›geschafft‹ haben, die sich erfolgreich ›integriert‹ haben. Sie selbst lebt weiterhin mit ihrem Trauma und Bildern, in denen sich ältere und aktuelle Erfahrungen in einem düsteren und hoffnungslos stimmenden Amalgam verbinden. Die ›Balkan-Litanei‹ wird zeitlebens ein Teil von ihr bleiben.

Der – allerdings durchaus mehrdeutige – Titel des Buchs bezieht sich auf einen Laden mit sado-masochistischen Requisiten im Amsterdamer Rotlichtviertel.

[Dubravka Ugrešić: Das Ministerium der Schmerzen. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag, 2005]