Jedenfalls scheint das in manchen Fällen so zu sein. Ein Buch wird aufgeschlagen, das Inhaltsverzeichnis überflogen und dann der Index aufgesucht, um zu ermitteln, ob bestimmte Gegenstände oder Namen im Buch überhaupt oder ausreichend behandelt werden.
Das gilt jedenfalls für gedruckte Bücher, die als wissenschaftliche Publikationen oder Sachbücher auf den Markt kommen. Bei PDFs sind Sach- und Personenverzeichnisse durchaus immer noch ein Gewinn, da sie die Übersicht über Schwerpunkte der Texte ermöglichen. Weiß man einigermaßen über den Inhalt Bescheid, genügt die Suchfunktion – sofern der Text durchsuchbar ist, markiert und kopiert werden kann. Das Erstellen eines Index ist eine aufwendige Arbeit, auch beim Einsatz von digitalen Hilfsmitteln. Mit der Aufnahme jedes Stichworts und Namens sind Gewichtungsentscheidungen verbunden, die mit den Intentionen der Autoren und mit dem Kontext der jeweiligen Stellen abgeglichen werden (sollten). Häufig findet man kurze und zu flüchtig zusammengestellte Indexe, Indizes oder Indices (der Duden lässt alle drei Pluralformen zu). Genauso übel sind aber auch endlose Verzeichnisse, die lauter belanglose Stellen auflisten. Das Titelbild hier stammt aus einem 1668 erschienenen Buch von James Howell und enthält eine Kapitulationserklärung des Verlegers. Der Autor war schon tot, als das Buch, das einen sehr langen Titel hat, veröffentlicht wurde.
Dieses und viele andere zum Teil vergnügliche Beispiele enthält das Buch von James Duncan Index, a history of, das jetzt auch auf Deutsch erschienen ist.
Eine Anekdote daraus belegt, dass ein Buch über Verzeichnisse eine unterhaltsame Lektüre sein kann. Viele Menschen googlen gelegentlich ihren Namen. Vor Google gab es den Index. Was ist ein subtiler Scherz unter Buchfreunden? Dieser hier. Der konservative Autor William S. Buckley war ein guter Bekannter von Norman Mailer, mit dem er sich gelegentlich zoffte. Buckley veröffentlichte 1965 ein Buch über eine New Yorker Bürgermeisterwahl, zu dem ihm Mailer einige Zitate aus ihrem gemeinsamen Briefwechsel verweigert hatte. Seine Antwort ist das »Hi!« neben dem Namen Mailers in dem Buchexemplar, das er Mailer zuschickte. Es ist nicht überliefert, ob und unter welchen Umständen Mailer auf den Eintrag gestoßen ist. Dass er ihn ein wenig beschämt hat, ist jedoch anzunehmen.
Interessant auch für Buchkundige ist die verwickelte Geschichte der Seitenzahlen, die es zeitweilig schon bei Handschriften gab, und der Bogensignaturen bei gedruckten Büchern. Duncan zeigt, wie sich formale Kennzeichnungen allmählich gegenüber inhaltsorientierten durchsetzten. Auch diese hatten manchmal willkürliche Aspekte, wie die Kapitelaufteilungen der Bücher Homers oder der Bibel, die erst im Laufe der Zeit standardisiert wurden.
Dennis Duncan hat mit Adam Smyth ein weiteres Buch mit buchgeschichtlichen Anteilen herausgegeben, in dem jedes Kapitel einem bestimmten Teil des Buchs gewidmet ist – vom Vorsatzblatt bis zum Klappentext. Es heißt Book Parts und ist 2019 in der Oxford University Press erschienen.
Den Index für Duncans Indexbuch hat übrigens Paula Clarke Bain erstellt. Sie ist eine international vernetzte professionelle Indexerin. In Deutschland gibt es zwei miteinander verflochtene Vereinigungen von Indexerstellern, die Fachgruppe Register und Indexing in der Deutschen Gesellschaft für Information und Wissen (DGI) und das Deutsche Netzwerk der Indexer.
Dennis Duncan: Index, a History of … A Bookish Adventure. London: Allan Lane, 2021. Deutsch: Index, eine Geschichte des. Vom Suchen und Finden. München: Antje Kunstmann Verlag, 2022