Guter Todesengel

Andrej Kurkow ist der zeitgenössische ukrainische Bestsellerautor. Mehr als zehn Bücher von ihm sind auch auf Deutsch erschienen. Darunter der Roman, dessen Originaltitel übersetzt eigentlich »Guter Todesengel« lautet, der aber nun Petrowitsch heißt, nach dem Chameleon, das die Hauptfigur in der zweiten Hälfte des Romans von Kasachstan bis in die Westukraine begleitet. Die Handlung bedient sich in Andeutungen einiger Elemente von Fantasy-Romanen. Die Hauptfigur Kolja (ein russischer Ukrainer) entdeckt in einem Buch ein zweites, das ihn auf Umwegen zu einem Toten führt, in dessen Grab er Hinweise auf irgendwo in Kasachstan versteckte Tagebücher des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko findet. Er reist auf abenteuerliche Weise dorthin und wieder zurück, ständig begleitet von ethnischen Ressentiments zwischen Russen und Ukrainern. Der Clou der Reise ist der Rücktransport einer Fuhre Sand aus Kasachstan, der auf irgendeine Weise vom Sperma Schewtschenkos imprägniert ist und nach dem Willen des Protagonisten und seiner Begleitung in Sandkästen ukrainischer Kindergärten verstreut werden soll, um dort den Geist des Patriotismus auszustrahlen.

Gelesen habe ich den Roman hauptsächlich, weil Tatjana Hofmann ihn in ihrem Buch über Literarische Ethnografien in der Ukraine als eins der Beispiele für den nationalen Diskurs anführt, der fast unvermeidlich die literarische Produktion ukrainischer Schriftsteller in den letzten 25 Jahren leitet. Was sie meint, ist durchweg erkennbar, ansonsten ist das Buch nur an einigen Stellen erträglich, an denen es etwas seltener Abenteuer-, Krimi- und Spionageklischees bedient und der Humor etwas hintergründiger ist.


Andrej Kurkow: Petrowitsch. Zürich: Diogenes, 2000. Die Titelvignette ist ein Clip aus der Ausgabe der Büchergilde Gutenberg