Kategorie: Medien

  • UMTS-Ende

    Der Mobilfunkstandard UMTS, dritte Generation nach dem analogen Netz und GSM (incl. GPRS und EDGE) wurde ab 2000 in Deutschland möglich, als die Lizenzen für das Netz für fast 100 Mrd. DM versteigert wurden. Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel nannte UMTS daher »Unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung von Staatsschulden«. Mit der allmählichen Ausbreitung des Standards ab 2004 entstanden auch Fragen nach dem Nutzen einer Technik, die unter besten Bedingungen maximale Übertragungsraten von 384 KBit/s ermöglichte. Jahrelang wurde gemunkelt, dass Telekommunikationsunternehmen an einer »Killerapplikation« arbeiteten, die den Einsatz von UMTS für alle einsichtig und attraktiv machen sollten. Nichts geschah. Schließlich wurden Erweiterungen entwickelt – HSPA und HSPA+ –, die weitaus höhere Datenraten ermöglichten (7 bis 21 oder sogar 42 MBit/s) und ab 2010 freigeschaltet wurden.

    Da fast gleichzeitig mit der Verbreitung der UMTS-Erweiterungen, nämlich 2011, bereits die nächste Mobilfunkgeneration LTE eingeführt wurde, war das Ende von UMTS bereits absehbar, bevor die mit dem Standard verbundenen Erwartungen je eingelöst wurden. Die seit 2007 in schneller Folge auf den Markt geworfenen Smartphone-Generationen machten offenkundig, dass die »Killerapplikation«, auf die gewartet wurde, schlicht die Ermöglichung von Web und E-Mail auf dem Handy war. Das 2008 eingeführte zweite iPhone (3G) konnte Daten mit der zehnfachen UMTS-Rate übertragen, das iPhone 5 (2012) unterstützte dann bereits LTE, bevor dieser Standard in ganz Deutschland verfügbar war.

    UMTS war als Entwicklungsschritt der Mobilfunktechnik vielleicht unumgehbar, aber letztlich wenig brauchbar. Die zweite und vierte Generation der Funktechnik – GSM und LTE – tragen die Nutzlast, 5G ist im Ausbau. Nun wird UMTS in Deutschland abgeschaltet.

  • Stramm wegmoderiert

    via Heiko Hilker

    Was die krisengebeutelte ARD gerne wäre? Dazu gab es jetzt einen »Zukunftsdialog«, wenn auch fast ohne Teilnehmer. …. Chaträume wurden eingerichtet, in denen Zuschauer Programmideen (»Themenraum Programmideen«) einbringen sollten oder Themen wie »Region und Lebensgefühl« oder »Generation Zukunft« diskutieren. ….

    Gemeinsam mit Reinhard Bärenz, Leiter der Kultur beim MDR, bestritt Würzberg die erste Live-Diskussion des Zukunftsdialogs. Gefragt wurde nach regionalen Bands, nach der Klimaberichterstattung und warum es keine gesamteuropäische Quizshow mit angeschlossener App und Open-Source-Code gibt. Es ging also, wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht anders zu erwarten, um alles. Die Zuschauer durften die Fragen nicht selbst stellen, eine Moderatorin namens Valérie las sie vor. Ein Dialog entstand so nicht, die Fragen wurden brav beantwortet, im Grunde aber stramm wegmoderiert. Gibt es schon, schöne Idee, machen wir aber aus gutem Grund nicht. So in der Art. …. Der Zukunftsdialog selbst zeigt, wie gewaltig das Problem ist: In Spitzenzeiten sahen dem Gespräch, das nach großer Ankündigung am Mittwochabend auf Youtube gestreamt wurde, 34 Zuschauer zu.


    Nicolas Freund, sueddeutsche.de, 10.06.2021 (online)

  • Medienvertrauen ist ein Hoax

    Zusammenfassung einer neuen Reuters-Studie bei EJO

    Vertrauen = Vertrautheit, auf diese simple Erkenntnis scheint es hinauszulaufen.

    Während die Repräsentation bestimmter Communities und der persönliche Kontakt zu Journalisten für die Vertrauensbildung der Rezipienten eine eher geringere Rolle spielt, sind vor allem Faktoren wie die Vertrautheit mit bestimmten Medienunternehmen (»familiarity with brands«) und generelle Urteile über das Erscheinungsbild des jeweiligen Mediums (»stylistic factors«) ausschlaggebend für entsprechende Beurteilungen. »Redaktionelle Prozesse und Praktiken des Journalismus standen selten im Mittelpunkt der Überlegungen zum Thema Vertrauen«, stellen die Autoren fest. Ebenso zielten personelle Urteile häufig eher auf prominente Persönlichkeiten aus den jeweiligen Medien (z. B. Moderatoren) und weniger auf individuelle Journalisten ab. »Eine beachtliche Zahl von Befragten in Brasilien, im Vereinigten Königreich und in den USA konnten nicht einmal einen Journalisten nennen.«

    Ausschlaggebend für die Beimessung von Vertrauen an bestimmte Medien ist laut der Autoren vor allem der äußere Eindruck: Ist eine Person mit Medium A vertraut, scheint sie diesem mehr zu vertrauen als Medium B, das sie vorher noch nie genutzt hat. »Manchmal hatte dieses Gefühl der Vertrautheit weniger mit rationalen Urteilen als vielmehr mit Intuition zu tun«, schreiben die Autoren.

  • Neuer Rundfunkauftrag im Nebel

    Die Medienkorrespondenz berichtet, dass die Beauftragung linearer Fernsehprogramme gelockert werden soll. Spartenprogramme werden aus dem Auftrag herausgenommen und können durch Online-Angebote ersetzt werden. Ein klares Ziel scheint zu fehlen. Nun hat sogar schon der ARD-Vorsitzende Buhrow – bei DWDL – die Bedeutung der Mediatheken als zentrales zukünftiges Angebot anerkannt. Nichts läge näher, als das Erste und das ZDF-Hauptprogramm ebenfalls aus der Pflicht zu nehmen. Solange die Anstalten sich darauf berufen können, diese linearen Fossile betreiben zu »müssen«, werden sie keine entscheidenden Schritte zur Neudefinition ihres Medienangebots machen.

    Die Medienpolitik hat die Chance, die Pfadabhängigkeit der Organisationsentscheidungen zu unterbrechen oder zumindest zu stören. Sie lässt sich durch allerlei PR-Talk der Sender davon abhalten. Immer wieder wird dabei zum Beispiel die Bedeutung vielfältiger Angebote hervorgehoben, die auch vom Verfassungsgericht erwünscht ist. Aus der Perspektive der Online-Welt sind zwei gemeinschaftsfinanzierte Parallelwelten, ARD und ZDF, allerdings überflüssig. »Vielfalt« kann dort nicht durch die parallele Präsenz mehrerer Marken, sondern nur durch markante Inhalte gesichert werden – also durch einen Fächer unterschiedlicher Themen, aber auch durch ihre unterschiedliche »Faltung«, also Formatierung und Präsentation. Eine Zusammenlegung der Systeme würde eine noch bessere (und finanziell effizientere) Koordination von Verschiedenartigkeit ermöglichen als das derzeitige konkurrierende Nebeneinander. Dies ist nur eine der heiligen Kühe, die von der Medienpolitik schweigend umgangen werden.

    Ein zweites oft strapaziertes Argument für die zurückhaltende Unterstützung eigenständiger Online-Angebote ist das Verhältnis von linearer und non-linearer Nutzung derselben – also für das Fernsehen produzierten – Produkte. Das Argument funktioniert nach dem Muster der self-fulfilling prophecy. Solange Fernseh-Formate gesendet werden, die auf die Fernsehgewohnheiten des älteren Drittels der Bevölkerung geeicht sind, wird deren Online-Nutzung nicht die lineare Nutzung überwiegen. Ein Strategiewechsel, der Online-Produkte in den Mittelpunkt rückt, verbunden mit hilfreichen Erklärungen für bisherige Online-Abstinenzler und Showcases im verkleinerten linearen Restprogramm, hätte gute Chancen, die Verhältnisse in kurzer Zeit umzudrehen. Denn für das allgemeine Publikum sieht die Welt der Öffentlich-Rechtlichen ganz anders aus als aus deren Binnensicht. Einen guten Eindruck davon vermittelt der sogenannte ARD-Zukunftsdialog. Die aktiven Gesprächsteilnehmer dort wirken weitaus flexibler als die Vertreter der Anstalten – die in den Diskussionsforen auf innovative Ideen immer wieder mit PR für das bereits Vorhandene antworten. Ein einziges Beispiel von vielen zeigt, dass »Zukunftsdialog« eher ein Framing aus der vulgärpsychologischen Trickkiste ist als ein ernstgemeintes Angebot an die Öffentlichkeit.

    Auch für Radiohörer ließe sich die Umstellung auf Angebote in interaktiven Umgebungen attraktiv machen. Apple Music hat einen großen Teil des Musik-Streaming jetzt auf »Lossless« umgestellt, also auf echte CD-Qualität. Das ließe sich ohne großen technischen Aufwand auch (zumindest) für die On-demand-Angebote der Kulturwellen kopieren. Musikalische Eigenproduktionen, Features und Hörspiele – also die Traditionsgüter des Hörfunks – könnten die Türöffner für die noch viel breitere Nutzung des öffentlich-rechtlichen Audio-Streaming sein. Man müsste es bloß wollen und der Öffentlichkeit im Dialog erklären …

  • Herbst der Presse

    … und der auf Belegen basierenden Argumentation zum Medienwandel. David Koopmann, Verlagsvorstand des Bremer Weser-Kuriers, empört sich in der heutigen FAZ über die Nachrichtenangebote von Radio Bremen im Internet. Der Text- und Fotoanteil gegenüber Audio und Video sei zu groß, das bedrohe das auf Abos und Verkäufen basierende Geschäftsmodell der Tageszeitungen.

    Tatsächliche Effekte der Website und Apps von butenunbinnen.de (denn um diese geht es ihm wohl) kann Koopmann nicht benennen. Der Rückgang der Zeitungsauflagen seit den 1990er Jahren hat mehrere Ursachen, darunter einige von den Zeitungsverlagen selbst beigesteuerte. Die Erkenntnis, dass Journalismus sich Verbreitungsplattformen im Netz suchen muss, kam vielen Verlegern sehr spät und wurde über Jahre oft sehr dilettantisch umgesetzt. Das belegt auch Koopmanns Satz von heute. Schon vor 25 Jahren war absehbar, dass sich die Marktsituation für journalistische Angebote unaufhaltsam verändert. Wer erst das erst jetzt bemerkt und Nachrichten in öffentlich-rechtlichen Apps für das Zeitungssterben verantwortlich macht, sitzt offenbar im falschen Sessel.

    Ich warte auf die Studie, die erfragt, wieviele Menschen in Bremen (und Umland) die kostenpflichtigen digitalen Angebote des Weser-Kurier nicht wahrnehmen, weil sie sich bereits durch butenunbinnen.de ausreichend informiert fühlen.