In diesem Winter habe ich offenbar Pech. Oder Neugier und Humor sind mir verloren gegangen. Ich traf Jan Faktor einmal Mitte der 1980er Jahre in Bremen und unterstützte ihn bei der Auswahl und beim Kauf eines PC, den er auf irgendeinem Weg nach Berlin/Prenzlauer Berg bringen wollte. Später las ich einige Texte von ihm, die ich ganz witzig fand und in denen immer ein Georg vorkam. Es schien mir ein lauter, eulenspiegelhafter Widerstandsgeist daraus zu sprechen. Aber das war auch kurz nach der »Wende«, als gerade versank, wogegen sich der Widerstand gerichtet hatte. Jetzt, 30 bis 35 Jahre später, finde ich den Roman Trottel nur albern. Die häufige Erwähnung des Selbstmords von Faktors Sohn irritiert, aber bildet auch keinen Spannungspol, der die aufgekratzte Comedy als Gegenpol rechtfertigen könnte. Geht zu booklooker.
Viel versprochen hatte ich mir im Herbst 2021 von Carolin Amlingers literatursoziologischer Studie Schreiben. Die lange aufgeschobene Lektüre habe ich nun nachgeholt. Seltsam, diese sehr umfangreichen Qualifikationsarbeiten – in diesem Fall 800 Seiten – sind manchmal schlichte thematische Additionen, aber ohne Summe. Würden einzelne Teile fehlen, würde sie niemand vermissen. Über den Schriftstellerberuf ist in der Studie Einiges zu erfahren, aber nichts davon ist unerwartet, nichts auf eine belegbare Art verallgemeinerbar. Zu später Ehre kommen die Untersuchungen von Fohrbeck & Wiesand aus den 1970ern. Die Behauptung, in jener Zeit sei eine literarische »Gegenöffentlichkeit« entstanden, entbehrt jeglicher Grundlage. Es gab Stimmungen, die kulturelle Sphäre verstand sich teilweise als notwendiges Korrektiv zur herrschenden politischen Grundströmung. Autonom und gegenöffentlich war sie jedoch keineswegs. Es lohnt sich aber nicht, lange über solche interessegeleiteten schiefen Interpretationen nachzugrübeln und gegen sie zu argumentieren. Jedenfalls nicht für mich.
Jan Faktor: Trottel. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2022.
Carolin Amlinger: Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit. Berlin: Suhrkamp, 2021.