Das Buch erschien zuerst 2022. Fretten bedeutet sich mühen, sich abplagen. Ein bisschen trifft das auch auf die Lektüre zu. Helena Adler, die 2024 starb, mutet Leserinnen und Lesern zu, mit einem Roman zurecht zu kommen, der eigentlich keiner ist. Es gibt keinen durchgängigen narrativen Bogen, keinen Plot. Erzählerin ist eine junge Frau, die aus der Provinz stammt und deutlich macht, dass sie ihr noch angehört. Es geht später auch um Mutterschaft, um ein krankes Kind, um Todesgedanken.

Es gibt 21 Kapitel, die jeweils so wie ein mehr oder weniger bekanntes Bild aus der Kunstgeschichte betitelt sind, also z. B. Night Hawks, Twenty Marilyns, Der Ursprung der Welt. Die Kapitel sind recht kurz und sozusagen erzählende Bilder. Sie nehmen allerdings fast nie die Motive der durch die Titel herbeizitierten Kunstwerke auf, berühren sie manchmal kurz und oberflächlich, entsprechen allerdings auch manchmal den Stimmungen der bildlichen Darstellungen.
Mit Worten malen -– gut, aber das ist ein Grenzgang. Was die Lektüre nach 20, 30 Seiten bereits mühsam macht, sind die Kaskaden von Wortwitzen und Wortspielen, an denen die Autorin offenbar ihr Vergnügen hatte. Manche davon sind wirklich schön und witzig, aber ihr gehäuftes Auftreten ist nicht lange auszuhalten. Ein paar Beispiele, die mir gefielen:
- Die Mutter zitierte ständig aus der Bibel und brachte uns damit auf die Psalmen.
- Kirchenweiber wurden sie im Dorf genannt, Hosiannahyänen, weil sie sich im Lobgesang dauern gegenseitig zu überheulen versuchten.
- Und ich? Ich befinde mich mittendrin und bin nichts weiter als die Berichtbestatterin meiner Gegenwart.
Aber oft gibt es auch dergleichen:
- Der Bergdoktor nähte, ohne sie zu betäuben, die Zunge der Täubin, die nur mehr gurrte und gurgelte.
Was mich distanziert, ist nicht das gelegentlich Surreale des Texts, es ist eher die ununterbrochene Witzelei. Anderen mag es beim Lesen anders gehen.
Helena Adler: Fretten. Roman. München: btb, 2024.