Aktuelle Vergeblichkeitsforschung

  • Ist die digitale Transformation neoliberal?

    Der WDR-Rundfunkrat (entsandt vom Filmbüro NW und der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm) Robert Krieg hat in den Blättern für deutsche und Internationale Politik zu Plänen des WDR und zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt Stellung genommen. Ihm unterlaufen dabei eine Reihe von Konfusionen, die bei der weiteren Diskussion des Rundfunkauftrags nicht weiterhelfen.

    1. Die Einrichtung und die für alle Haushalte verpflichtende Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks basiert auf dem Auftrag, der Allgemeinheit Medieninhalte bereitzustellen, deren Art und Inhalt sich nicht an den Gesetzen des Marktes orientiert. Verfassungsrichter haben mehrfach festgelegt, dass schwerpunktmäßig Information, Bildung, Beratung, Kultur und Beiträge zur Unterhaltung, die einem öffentlich-rechtlichen Profil angemessen sind, produziert werden sollen. Dass diese Medien »Teil der vierten Gewalt« und somit »eine unverzichtbare Säule des demokratischen Rechtsstaats« sein sollen oder sind, ist verfassungsrechtlich nicht formuliert. Die »vierte Gewalt« ist auch nicht einmal rechtsphilosophisches Feuilleton, sondern eine anmaßende Selbstbeschreibung der journalistischen Profession. Sinnvoller und verfassungstreuer ist die von Hans Wagner vorgeschlagene Formel, die Medien seien idealerweise der »Gesprächsanwalt« der Allgemeinheit. Das Konzept der »vierten Gewalt« sprengt das verfassungsrechtliche System der Gewaltenteilung, da für sie keine andere Kontrollinstanz vorgesehen wäre. Bedenklicher an Kriegs Satz ist jedoch, dass allein schon die Institution des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar sein soll – und nicht die Funktion seiner journalistisch-redaktionellen Anteile, sofern sie denn erfüllt wird.

    2. Um die Erfüllung des Auftrags geht es Krieg hauptsächlich. Die mit der Einführung des Privatrundfunks auf das öffentlich-rechtliche System hinübergesickerte Orientierung an der Quote geißelt er mit Recht: »Der ÖRR bildet die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht nur in seinen Programmen ab, er ist zugleich ein Teil davon. Der marktliberale Geist, der die westlichen Demokratien heute beherrscht, hat auch vor dem ÖRR nicht Halt gemacht. Beim allgemeinen Bestreben, die Gesetze der Marktwirtschaft auf alle Bereiche des Lebens auszudehnen, ist den Programmverantwortlichen die Quote das Instrument der Wahl zur Durchsetzung dieses Prozesses innerhalb der öffentlich-rechtlichen Medien.« Auch der von ihm zitierten Beobachtung, dass die Orientierung am linearen und am non-linearen Angebot sich tendenziell immer weniger auf Generationen verteilen lässt, ist zuzustimmen. Seine Polemik gegen den angeblichen Plan, linear nur noch leicht konsumierbare Unterhaltungsmusik und Neuigkeiten zu verbreiten und alle »nachhaltigen« Inhalte von vornherein als non-lineare Angebote zu produzieren, geht allerdings ins Leere, da ihr ein wichtiger Maßstab fehlt. Die Erreichbarkeit aller interessierten Mediennutzer ist virtuell im non-linearen Bereich weitaus größer als im linearen – räumlich und zeitlich. Auch die technische Qualität – wichtig bei der Rezeption von E-Musik, Features und Hörspielen – kann im Online-Angebot weitaus besser sein als in den gesendeten Fassungen. Streaming-Anbieter glänzen mit »Lossless«-Qualität, die tatsächlich der einer CD entspricht. Dass lineare Radioprogramme nach der Verlagerung von Kulturprogrammen ins Non-Lineare ausschließlich »Easy Listening« anbieten, ist vielleicht nicht unwahrscheinlich, aber absolut nicht zwingend. Eine Live-Mischung aus moderierter, redaktionell ausgewählter Musik mit regionaler und allgemeiner Information ist aller Voraussicht nach das erfolgversprechendste Residuum des linearen Hörfunks. Mit diesen Komponenten kann er möglicherweise auch längerfristig gegen Streaming-Anbieter bestehen.Dass »Content-Formate«, die vielfältige Interessengruppen berücksichtigen, »nicht mehr die Gesamtgesellschaft erreichen sollen«, kann nicht zutreffen, da die Angebote ja für alle zugänglich sind. Verglichen mit der tatsächlichen Reichweite von linearen Kulturwellen, deren inhaltliche Komponenten jeweils nur kleine Zielgruppen-Segmente erreichen, ist das Reichweiten-Potential von Audiotheken deutlich größer. Ein wenig Ermutigung der Zielgruppen zum Umstieg und zur Erkundung dieser Angebotsformen gehört ebenso zu den Voraussetzungen wie tatsächlich attraktive und gut funktionierende Mediatheken. Das in diesem Zusammenhang von Krieg erwähnte Targeting von Mikro-Zielgruppen ist fehlplatziert, Targeting bezieht sich auf die Ausrichtung von Werbeschaltungen auf Publika, die mit bestimmten Inhalten getriggert werden. Die Kategorisierung und Rubrizierung von Inhalten in Bibliotheken und Mediatheken ist kein Targeting.

    3. Die Berücksichtigung vieler Teilinteressen in einem Online-Angebot kann – da alles für alle nebeneinander zugänglich ist – nicht als Schwenk vom gesellschaftspolitischen zu einem plattformkapitalistischen Denken (Krieg gefällt hier eine Formulierung von Felix Stephan aus der Süddeutschen Zeitung) denunziert werden. Unter Voraussetzung sinnvoll funktionierender und attraktiver Online-Umgebungen gibt es dort sehr viel mehr Möglichkeiten, durch Hinweise und Verknüpfungen Interessenten mit Inhalten zusammenzubringen. Die datenschutzkonforme Sammlung von Nutzer- und Nutzungsdaten zur Unterstützung solcher Hinweise muss dabei zu keinen Einengungen (im Sinne der Verstärkung des Immergleichen) führen, sondern kann für Anbieter und Nutzer bereichernd sein.

    4. Krieg nennt die Gefahr, dass die existierenden und geplanten zentralisierten Newsrooms hierarchisierte Entscheidungen ermöglichen. Dies ist tatsächlich unter anderem durch medienethnographische Studien gut belegt. Weiterhin liegt die Gefahr nahe, dass die in die Newsrooms einfließenden Nutzungsdaten die Produktion von Inhalten nicht vielfaltsfördernd, sondern nur quotenfördernd beeinflussen. Beide Gefahren können nur durch andersartige unternehmensinterne Organisations- und Verantwortungsstrukturen und ihre Kontrolle durch die Aufsichtsgremien eingedämmt oder ausgeschlossen werden. Zentralisierte Bereiche mit einer keineswegs allkompetenten Leitungsperson vertragen sich nicht mit dem Anspruch, unabhängigen Journalismus zu betreiben und auch intern »Pressefreiheit« zu gewährleisten – worin sich öffentlich-rechtliche Anstalten und der privatwirtschaftliche Tendenzbetrieb von Presse und Rundfunk unterscheiden (sollten). Krieg übersieht bei seiner Argumentation seine eigene aufsichtsführende Rolle. Die hierarchische Organisation der Newsrooms wurde von den Gremien durchgewinkt, und die in ihnen angewandten Algorithmen beruhen auf Organisationsentscheidungen, denen Gremien auch widersprechen können.

    5. Die sinnvollen und notwendigen Pläne zur Verlagerung der Angebotsschwerpunkte des Hörfunks in den non-linearen Bereich identifiziert Krieg umstandslos mit Marktradikalismus und sieht schlimme Folgen voraus: »Über kurz oder lang dürfte sich die Bevölkerung fragen, warum sie noch für ein vorgeblich das Allgemeinwohl fördernde Gemeinschaftsprojekt seinen Beitrag zahlen soll, wenn dieses doch längst in Einzelteile parzelliert wurde. Dann wird man doch gleich besser Abonnent einzelner ›Content‹-Kanäle wie bei anderen Streaming-Diensten auch.« Die Angebote des Rundfunks sind seit einigen Jahrzehnten schon parzelliert, und immer schon gab es Stimmen, die sagten: Ich möchte meinen Rundfunkbeitrag nur für arte, 3sat, den Deutschlandfunk und WDR3 zahlen. Die Harmonisierung von Einzelinteressen und virtuellem Gesamtinteresse ist in sinnvoll organisierten Portalen (das muss ich immer wieder betonen, gemeint sind nicht die Media- und Audiotheken in ihrem derzeitigen Zustand) weitaus leichter und umfassender zu realisieren als in den zahlenmäßig und durch ihre Zeitgebundenheit beschränkten linearen Angeboten.

    6. Die keineswegs nur von Krieg beobachtete und beklagte Tendenz zur Boulevardisierung öffentlich-rechtlicher Angebote kann man – wie Krieg – nur mit einem Habermas-Zitat geißeln, wenn man sich der Ironie bewusst ist, dass dieses 1962 entstand, als es in Deutschland ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rundfunk gab. Wenn die Anrufung von Habermas, der die Ersetzung von Realitätsgerechtigkeit durch Konsumreife beklagt und den öffentlichen Gebrauch der Vernunft einfordert, zu etwas taugen kann, dann also zu einer kritischen Reflexion dessen, was Radio und Fernsehen als Mediengattungen überhaupt zur Vernunftbildung beitragen können. Für viele Medienwissenschaftler waren und sind sie primär Unterhaltungsmedien. Die Volkshochschul-Komponenten im deutschen Rundfunk der zwanziger sowie fünfziger bis siebziger Jahre waren immer schwer integrierbare Fremdkörper, für die zeitgemäße Formatierungen gefunden werden mussten. Diese gibt es, sie bewähren sich auch täglich, linear und auf Abruf, worüber ein Blick auf die Programmangebote des Deutschlandradios sofort belehrt. Krieg will das lineare Hörfunkprogramm weiterhin mit der Aufgabe belasten, Bildung zu vermitteln. Bildung ist jedoch als kommunikationsfreie Veranstaltung kaum vorstellbar. Die unidirektionale Verkündigung per Predigt oder Vortrag oder auch per Feature erzeugt bestenfalls Identifikation mit einer angebotenen Position, fördert aber nicht Reflexion und Wissen, die idealerweise im Dialog, auch verbunden mit Einspruch und Gegenrede, entstehen.

    7. Der gesellschaftliche Trend zur Individualisierung wird in den westlichen Industrieländern seit etwa fünfzig Jahren beobachtet. Der Beitrag von Medien daran ist nicht ermittelbar. Gewöhnlich geben sich Beobachter mit der Aussage zufrieden, die Medien »folgten« diesem Trend. Das ist auch plausibel, weil es zumindest bei kommerziellen Medien unwahrscheinlich ist, dass sie funktionierende Geschäftsmodelle ohne Not zerstören, nur weil aufgrund paralleler technischer Entwicklungen die Zersplitterung vorheriger Vollprogramme möglich wird. Die Fragmentierung der Lebensstile, Interessen und Befindlichkeiten drückt sich in der Differenzierung von Publika und deren Ansprache durch Medienangebote auf eine gewisse und sicher immer nur unvollkommene Weise aus. Eine Umkehrung der Fragmentierung ist eine illusionäre Bemühung. Sie taucht als Sehnsucht in vielen medienpolitischen Sonntagsreden auf, auch in den von Krieg zitierten Leitlinien der ARD. Das sinnvoll geordnete Nebeneinander von vielfältigen und von allen erreichbaren Online-Angeboten ist die einzig mögliche Antwort auf den Medienwandel. Sich dem mit rückwärtsgewandten Argumenten entgegenzustemmen ist vergebliche Liebesmüh.

    8. »Der gefährliche Trend zum neoliberalen Gestrigen beim Umbau des WDR-Programms, der den ›Content‹ als bloße Ware begreift, ist nicht unaufhaltsam. Als Aufsichtsorgan haben wir es in der Hand, den ÖRR daran zu hindern.« Sollte Krieg damit meinen, dass der Umbau des Programms mit der Untererfüllung von Bestandteilen des Rundfunkauftrags wie Information, Bildung, Beratung, Kultur verbunden ist oder zu werden droht, sollten er und der WDR-Rundfunkrat tatsächlich massiv einschreiten. Das Abschmettern einer Initiative von Rundfunkräten um Ralf Schnell, Gerhart Baum und Oliver Keymis zeigte allerdings, dass dieses Aufsichtsgremium lieber »Bettvorleger« der Unternehmensleitung bleiben will, wie es René Martens im Altpapier formulierte.


  • UMTS-Ende

    Der Mobilfunkstandard UMTS, dritte Generation nach dem analogen Netz und GSM (incl. GPRS und EDGE) wurde ab 2000 in Deutschland möglich, als die Lizenzen für das Netz für fast 100 Mrd. DM versteigert wurden. Der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel nannte UMTS daher »Unerwartete Mehreinnahmen zur Tilgung von Staatsschulden«. Mit der allmählichen Ausbreitung des Standards ab 2004 entstanden auch Fragen nach dem Nutzen einer Technik, die unter besten Bedingungen maximale Übertragungsraten von 384 KBit/s ermöglichte. Jahrelang wurde gemunkelt, dass Telekommunikationsunternehmen an einer »Killerapplikation« arbeiteten, die den Einsatz von UMTS für alle einsichtig und attraktiv machen sollten. Nichts geschah. Schließlich wurden Erweiterungen entwickelt – HSPA und HSPA+ –, die weitaus höhere Datenraten ermöglichten (7 bis 21 oder sogar 42 MBit/s) und ab 2010 freigeschaltet wurden.

    Da fast gleichzeitig mit der Verbreitung der UMTS-Erweiterungen, nämlich 2011, bereits die nächste Mobilfunkgeneration LTE eingeführt wurde, war das Ende von UMTS bereits absehbar, bevor die mit dem Standard verbundenen Erwartungen je eingelöst wurden. Die seit 2007 in schneller Folge auf den Markt geworfenen Smartphone-Generationen machten offenkundig, dass die »Killerapplikation«, auf die gewartet wurde, schlicht die Ermöglichung von Web und E-Mail auf dem Handy war. Das 2008 eingeführte zweite iPhone (3G) konnte Daten mit der zehnfachen UMTS-Rate übertragen, das iPhone 5 (2012) unterstützte dann bereits LTE, bevor dieser Standard in ganz Deutschland verfügbar war.

    UMTS war als Entwicklungsschritt der Mobilfunktechnik vielleicht unumgehbar, aber letztlich wenig brauchbar. Die zweite und vierte Generation der Funktechnik – GSM und LTE – tragen die Nutzlast, 5G ist im Ausbau. Nun wird UMTS in Deutschland abgeschaltet.

  • Solenoid

    Der Solenoid ist eine im Untergrund eines Hauses, am Schnittpunkt von Gravitationslinien auf dem Gebiet von Bukarest, installierte Maschine. Sie bringt lokal die Gravitation durcheinander und erzeugt sensorische Ereignisse jenseits des Gewohnten. Der Ich-Erzähler des Romans entdeckt sie und ihre Funktion zufällig, nachdem er das große Haus günstig erworben hatte. Per Hebeldruck ermöglicht ihm der Solenoid im Schlafzimmer, oberhalb seines Betts zu schweben (und in dieser Schwerelosigkeit auch unbeschwert Sex mit einer Kollegin zu haben). Der Erzähler wurde wie der Autor 1956 geboren und ist nach dem Scheitern eines Versuchs als Schriftsteller 1984 Mathematiklehrer an einer Schule in Bukarest.

    Merkwürdig ist, dass die vielen Rezensionen des Buchs einen der Schlüssel des Romans nicht finden, obwohl er an zahlreichen Stellen erwähnt wird. Es handelt sich um die Familiengeschichte von George und Mary Boole. Die Verbindung von Mathematik, Spiritualität und Spiritismus prägte das Leben und die Arbeit des Paars, ihrer fünf Töchter und von deren Lebensgefährten. Die jüngste Tochter Ethel Lilian heiratete den polnischen Revolutionär Wilfrid Michael Voynich (eigentlich Michał Habdank-Wojnicz) und war Autorin des Romans The Gadfly, der für die Lebensgeschichte des Erzählers bedeutend war. Auch das Manuskript, das der als Antiquar reüssierende Emigrant 1912 erwarb und das bis heute aufgrund seiner Unentzifferbarkeit die Gemüter erregt, spielt eine Rolle in Cǎrtǎrescus Buch. Noch wichtiger sind die Bezüge zu den mathematisch-geometrischen Spekulationen über die vierte Dimension, die der Ehemann der ältesten Boole-Tochter Mary Ellen, Charles Hinton, und auch die Tochter Alicia Boole Stott anstellten. Sie ziehen sich durch das ganze 900-Seiten-Werk und liefern andeutungsweise Erklärungen für die mysteriösen sensorischen Erscheinungen, denen der Erzähler ausgesetzt ist.

    Die erbärmlichen Lebensumstände des Securitate-Rumänien spielen in den Rückblenden (sechziger Jahre) und der erzählten Gegenwart (1984) immer wieder eine Rolle und sind mit unheimlichen Assoziationen von schmerzhaften medizinischen Anwendungen – immer wieder kommen Impfungen vor – verbunden. Der Übergang in die phantastische Sphäre der schier unerkundbaren Innenwelt einer alten Straßenbahnfabrik ist da ein Leichtes. Die ausführliche Schilderung von Verschiebungen der Wahrnehmungsdimensionen, Blindheit, Erscheinungen riesiger Insekten, bohrenden Geräuschen und Vibrationen ist voller Zumutungen an die Gefühlswelt und die Geduld der Leser. Trotzdem ist Solenoid nicht abstoßend genug, um es nicht zu Ende zu lesen. Und weiterhin auf Mircea Cǎrtǎrescu zu achten.


    [Mircea Cǎrtǎrescu: Solenoid. Wien: Zsolnay, 2019]

  • Stramm wegmoderiert

    via Heiko Hilker

    Was die krisengebeutelte ARD gerne wäre? Dazu gab es jetzt einen »Zukunftsdialog«, wenn auch fast ohne Teilnehmer. …. Chaträume wurden eingerichtet, in denen Zuschauer Programmideen (»Themenraum Programmideen«) einbringen sollten oder Themen wie »Region und Lebensgefühl« oder »Generation Zukunft« diskutieren. ….

    Gemeinsam mit Reinhard Bärenz, Leiter der Kultur beim MDR, bestritt Würzberg die erste Live-Diskussion des Zukunftsdialogs. Gefragt wurde nach regionalen Bands, nach der Klimaberichterstattung und warum es keine gesamteuropäische Quizshow mit angeschlossener App und Open-Source-Code gibt. Es ging also, wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht anders zu erwarten, um alles. Die Zuschauer durften die Fragen nicht selbst stellen, eine Moderatorin namens Valérie las sie vor. Ein Dialog entstand so nicht, die Fragen wurden brav beantwortet, im Grunde aber stramm wegmoderiert. Gibt es schon, schöne Idee, machen wir aber aus gutem Grund nicht. So in der Art. …. Der Zukunftsdialog selbst zeigt, wie gewaltig das Problem ist: In Spitzenzeiten sahen dem Gespräch, das nach großer Ankündigung am Mittwochabend auf Youtube gestreamt wurde, 34 Zuschauer zu.


    Nicolas Freund, sueddeutsche.de, 10.06.2021 (online)

  • Medienvertrauen ist ein Hoax

    Zusammenfassung einer neuen Reuters-Studie bei EJO

    Vertrauen = Vertrautheit, auf diese simple Erkenntnis scheint es hinauszulaufen.

    Während die Repräsentation bestimmter Communities und der persönliche Kontakt zu Journalisten für die Vertrauensbildung der Rezipienten eine eher geringere Rolle spielt, sind vor allem Faktoren wie die Vertrautheit mit bestimmten Medienunternehmen (»familiarity with brands«) und generelle Urteile über das Erscheinungsbild des jeweiligen Mediums (»stylistic factors«) ausschlaggebend für entsprechende Beurteilungen. »Redaktionelle Prozesse und Praktiken des Journalismus standen selten im Mittelpunkt der Überlegungen zum Thema Vertrauen«, stellen die Autoren fest. Ebenso zielten personelle Urteile häufig eher auf prominente Persönlichkeiten aus den jeweiligen Medien (z. B. Moderatoren) und weniger auf individuelle Journalisten ab. »Eine beachtliche Zahl von Befragten in Brasilien, im Vereinigten Königreich und in den USA konnten nicht einmal einen Journalisten nennen.«

    Ausschlaggebend für die Beimessung von Vertrauen an bestimmte Medien ist laut der Autoren vor allem der äußere Eindruck: Ist eine Person mit Medium A vertraut, scheint sie diesem mehr zu vertrauen als Medium B, das sie vorher noch nie genutzt hat. »Manchmal hatte dieses Gefühl der Vertrautheit weniger mit rationalen Urteilen als vielmehr mit Intuition zu tun«, schreiben die Autoren.